Einvernehmliche Auflösung statt Entlassung: Was Arbeitnehmer wissen müssen
Eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses kann für Arbeitnehmer eine Alternative zur Entlassung sein, wenn der Arbeitgeber hierfür plausible und objektiv gerechtfertigte Gründe vorlegt. Diese Lösung bietet dem Arbeitnehmer häufig eine bessere Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis ohne negative Einträge zu beenden und möglicherweise Abfertigungsansprüche zu sichern. Doch wie ist die rechtliche Situation, wenn ein solcher Vorschlag anstelle einer ausgesprochenen Entlassung gemacht wird? Nachfolgend werden die zentralen Punkte und die aktuelle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (OGH) beleuchtet.
Einvernehmliche Auflösung anstelle einer Entlassung
Wenn ein Arbeitgeber eine bereits ausgesprochene Entlassung durch ein Angebot zur einvernehmlichen Auflösung ersetzt, liegt nach Ansicht des OGH keine unzulässige Druckausübung vor. Voraussetzung dafür ist, dass die Entlassung auf objektiv nachvollziehbaren Gründen basiert. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber nachweisen muss, dass die Entlassung sachlich gerechtfertigt war. Liegt eine gerechtfertigte Basis für die Entlassung vor, ist das Angebot der einvernehmlichen Lösung rechtmäßig und stellt keinen ungerechtfertigten Druck auf den Arbeitnehmer dar.
Alternative zur Entlassung: Vorteile für Arbeitnehmer
Eine einvernehmliche Auflösung kann dem Arbeitnehmer verschiedene Vorteile bieten:
- Wahrung des Abfertigungsanspruchs: In vielen Fällen erhält der Arbeitnehmer durch die einvernehmliche Auflösung Abfertigung „alt“ oder Abfindungen, die bei einer regulären Entlassung nicht gewährt würden.
- Besseres Arbeitszeugnis: Da die einvernehmliche Auflösung nicht mit negativen Folgen wie einer fristlosen Entlassung verbunden ist, kann dies für den weiteren beruflichen Werdegang vorteilhafter sein.
- Gesichtswahrende Beendigung: Die einvernehmliche Lösung wird in der Regel als weniger belastend empfunden und lässt den Arbeitnehmer mit einem positiven Abschluss das Unternehmen verlassen.
Rechtliche Anforderungen und Schutzmechanismen
In Österreich ist § 104a des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG) relevant, wenn der Arbeitnehmer vor der Unterzeichnung einer einvernehmlichen Lösung die Beratung durch den Betriebsrat einfordert. In solchen Fällen greift eine sogenannte „Vereinbarungssperre“: Innerhalb von zwei Arbeitstagen nach diesem Wunsch darf keine rechtsgültige einvernehmliche Lösung vereinbart werden. Ziel ist der Schutz des Arbeitnehmers vor einer übereilten Entscheidung. Falls der Arbeitgeber diese Frist nicht einhält, ist die Vereinbarung unwirksam, und der Arbeitnehmer kann die Rechtsunwirksamkeit der einvernehmlichen Lösung geltend machen.
Keine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei Rücknahme der einvernehmlichen Auflösung
Wenn der Arbeitnehmer im Nachhinein die Nichtigkeit der einvernehmlichen Auflösung gemäß § 104a ArbVG geltend macht, bedeutet dies nicht, dass das Arbeitsverhältnis automatisch weiter besteht. Mit dem Wegfall der einvernehmlichen Lösung entfällt auch die Rücknahme der ursprünglich ausgesprochenen Entlassung. Das bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis durch die ursprüngliche Entlassung beendet bleibt. Diese Rechtslage bestätigt, dass eine nachträgliche Anfechtung nicht zu einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses führt, sondern die ursprüngliche Entlassung rechtswirksam bleibt.
Beispiel aus der Praxis: OGH-Entscheidung vom 18.10.2023
In einer aktuellen Entscheidung des OGH vom 18. Oktober 2023 (9 ObA 56/23k) wird verdeutlicht, wie das Angebot einer einvernehmlichen Auflösung anstelle einer Entlassung angewendet wird. Im Fall hatte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufgrund von Kundenbeschwerden entlassen, bot ihm jedoch als Alternative eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum Monatsende an. Der Arbeitnehmer erhielt eine Bedenkzeit und konsultierte einen Kollegen über die möglichen Konsequenzen. Schließlich stimmte er der einvernehmlichen Lösung zu, was ihm die Abfertigung „alt“ sicherte.
Im Verfahren wollte der Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geltend machen und berief sich auf die Unwirksamkeit der einvernehmlichen Auflösung. Der OGH entschied jedoch, dass objektive Gründe für die Entlassung vorlagen und dass der Arbeitgeber somit keinen unrechtmäßigen Druck ausgeübt habe. Der OGH stellte klar, dass selbst bei Geltendmachung der Nichtigkeit der einvernehmlichen Lösung die ursprüngliche Entlassung wirksam bleibe und das Arbeitsverhältnis damit beendet sei.
Einvernehmliche Auflösung als Chance und Herausforderung
Arbeitnehmer sollten sich bewusst sein, dass eine einvernehmliche Auflösung anstelle einer Entlassung Vor- und Nachteile mit sich bringt. Sie kann eine günstige Lösung sein, um das Arbeitsverhältnis auf eine möglichst harmonische Weise zu beenden und Abfertigungsansprüche zu sichern. Allerdings ist es ratsam, eine solche Entscheidung sorgfältig zu überdenken und gegebenenfalls den Rat eines Experten einzuholen, insbesondere wenn Unsicherheit über die rechtlichen Konsequenzen besteht.
Falls der Arbeitnehmer von der Beratung durch den Betriebsrat Gebrauch machen möchte, sollte er dies klar kommunizieren. In diesem Fall greift die Vereinbarungssperre gemäß § 104a ArbVG, und der Arbeitnehmer erhält Zeit, um über seine Entscheidung nachzudenken. Ein unüberlegtes Handeln kann langfristige Konsequenzen haben, und die Beratung durch einen Anwalt für Arbeitsrecht ist oft empfehlenswert, um sicherzustellen, dass alle Rechte gewahrt bleiben.
Bei Fragen zum Arbeitsrecht oder zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen, zögern Sie nicht uns unter +43/1/5130700 zu kontaktieren.