Kündigung oder einvernehmliche Auflösung im Krankenstand: Anspruch auf Entgeltfortzahlung bleibt
Wird ein Arbeitnehmer während eines Krankenstandes gekündigt oder im Krankenstand eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses vereinbart, bleibt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) und § 9 Angestelltengesetz (AngG) bestehen. Die Entgeltfortzahlung läuft für die gesetzlich vorgesehene Dauer weiter, selbst wenn das Arbeitsverhältnis früher endet.
Anspruch auf Entgeltfortzahlung auch bei Kündigung im Krankenstand
Beendet der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis im Krankenstand – ob durch Kündigung oder einvernehmliche Auflösung – bleibt das Kontingent der Entgeltfortzahlung aus dem laufenden Arbeitsjahr unberührt. Dies bedeutet: Der Arbeitnehmer hat weiterhin Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die volle, gesetzlich vorgesehene Dauer, selbst wenn das Arbeitsverhältnis offiziell endet.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) bestätigte dies in einem aktuellen Urteil (OGH 23.7.2024, 9 ObA 54/24t). In diesem Fall forderte der Kläger Entgeltfortzahlung für einen Zeitraum nach der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses im Krankenstand. Das Gericht entschied, dass der Arbeitnehmer berechtigt ist, das verbleibende Kontingent des laufenden Arbeitsjahres vollständig auszuschöpfen.
Das „Kontingentsystem“ des Entgeltfortzahlungsanspruchs
Das österreichische EFZG sieht eine jährliche Begrenzung des Entgeltfortzahlungsanspruchs vor. Diese basiert auf einem sogenannten „Kontingentsystem“, das den Anspruch auf Entgeltfortzahlung innerhalb eines Arbeitsjahres regelt. Die Entgeltfortzahlung bei Krankheit oder Unfall wird dabei für eine festgelegte Dauer gewährt und kann über das gesamte Jahr ausgeschöpft werden, solange das Arbeitsverhältnis aufrecht ist oder während einer Arbeitsverhinderung endet.
Ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht erst mit Beginn des nächsten Arbeitsjahres, sofern das Arbeitsverhältnis weiterbesteht. Der OGH stellte jedoch klar: Endet das Arbeitsverhältnis während des laufenden Arbeitsjahres, bleibt das Recht des Arbeitnehmers bestehen, sein nicht verbrauchtes Kontingent auszuschöpfen.
Ein Beispiel aus der Praxis
In der besagten Entscheidung des OGH arbeitete der Kläger von März 2019 bis Februar 2023 als Arbeiter in einem Unternehmen. Während seines Krankenstandes wurde das Dienstverhältnis im Februar 2023 einvernehmlich aufgelöst. Obwohl das Unternehmen den Krankenstand noch bis Anfang März 2023 bezahlte, forderte der Kläger Entgeltfortzahlung bis zum vollständigen Verbrauch seines gesetzlichen Anspruchs im laufenden Arbeitsjahr. Das Gericht gab ihm Recht und entschied, dass der Anspruch des Arbeitnehmers nicht automatisch mit dem Ende des Arbeitsjahres verfällt, sondern bis zur Ausschöpfung des Kontingents bestehen bleibt.
Rechtliche Grundlage: § 5 EFZG
Gemäß § 5 EFZG bleibt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung während einer Krankheit bestehen, auch wenn das Arbeitsverhältnis während des Krankenstandes endet. Die Regelung sichert dem Arbeitnehmer das volle Kontingent an Entgeltfortzahlung für das laufende Jahr zu. Ein fiktives Ende des Arbeitsjahres am Kündigungsdatum spielt hierbei keine Rolle.
Die Entscheidung des OGH betont den Schutz der Arbeitnehmerrechte. Sie stellt klar, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch nicht mit dem Ende des Arbeitsjahres verfällt, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wird. So bleibt dem Arbeitnehmer die vollständige Ausschöpfung des noch offenen Anspruchs aus dem laufenden Arbeitsjahr erhalten.
Arbeitnehmerfreundliche Regelung im Krankenstand
Zusammengefasst bestätigt der OGH, dass Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis im Krankenstand endet, Anspruch auf das volle Entgeltfortzahlungskontingent des laufenden Jahres haben. Der Anspruch endet nicht automatisch mit dem Arbeitsjahr, sondern erst nach vollständiger Ausschöpfung der Entgeltfortzahlungsdauer.
Für Arbeitnehmer bedeutet dies mehr Sicherheit: Auch wenn das Dienstverhältnis während einer Krankheit endet, bleibt der Entgeltfortzahlungsanspruch bestehen. Diese Regelung schützt Arbeitnehmer vor einem abrupten Entgeltausfall und garantiert, dass sie ihre gesetzlichen Ansprüche vollständig wahrnehmen können.
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